Das angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes bezieht sich unmittelbar auf eine konkrete Verkehrssituation in ländlich geprägten Vororten der Stadt Regensburg und kann daher nicht 1:1 auf die Stadt Leipzig und insbesondere deren Hauptstraßennetz übertragen werden. Maßgeblich für die Kommunen sind die im Urteil formulierten Grundsätze für die Einzelfallprüfung einer Radwegebenutzungspflicht und dabei insbesondere der oben zitierte Passus aus der StVO.
Wie in der bisherigen Diskussion zum Antrag deutlich wurde, sieht der Antragsteller in der Mitnutzung von Fahrbahnen einen Weg zur Verkehrsberuhigung („Geschwindigkeit des innerstädtischen Gesamtverkehrs entzerren“). Dies mag u.U. im Nebennetz sinnvoll sein, keineswegs jedoch im Hauptstraßennetz. Hauptverkehrsstraßen haben die Funktion, den Kfz-Verkehr in gebündelter Form sicher, geordnet und flüssig abzuwickeln und durch diese Bündelung Wohngebiete und das Nebennetz zu entlasten. Eine künstliche Verkehrsberuhigung von Hauptverkehrsstraßen widerspricht dieser Funktion und allen bisherigen verkehrspolitischen Strategien der Stadt Leipzig fundamental und verringert letztlich die Verkehrssicherheit.
Bei Einzelfallentscheidungen über die Anordnung, Beibehaltung bzw. Aufhebung einer Radwegebenutzungspflicht ist im Sinne eines schlüssigen und in sich widerspruchsfreien
Verwaltungshandelns zweckmäßigerweise auf das Regelwerk ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) und darin insbesondere auf die Richtwerte zur Wahl der Radverkehrsführung zurückzugreifen. Auch das o.g. Urteil nimmt auf dieses Regelwerk Bezug. Die ERA definiert (bei Neuanlage von Radwegen) Regeleinsatzbereiche jeweils für Mischverkehr, für Schutzeinrichtungen ohne Benutzungspflicht und für Radverkehrsanlagen mit Benutzungspflicht. Dazu wird jeweils eine Funktion aus zulässiger Geschwindigkeit und Verkehrsbelastung in der Spitzenstunde gebildet.
Für zweistreifige Straßen mit Tempo 50 beginnt beispielsweise der Regeleinsatzbereich für benutzungspflichtige Radwege bei einem Verkehrsaufkommen von 1.000 Kfz in der Spitzenstunde. Der Antragsteller deutet in der Begründung selbst an, dass es unterschiedliche Bedürfnisse und Fahrweisen im Radverkehr gibt, zieht daraus aber die falschen Schlussfolgerungen. In der Tat sind Radfahrer keine homogene Gruppe, sondern differenzieren sich in sehr unterschiedliche Fahrweisen auf: von vorsichtig und rücksichtsvoll bis hin zu aggressiv und rücksichtslos. Auch wenn die öffentliche Wahrnehmung des Radverkehrs in Leipzig eher von aggressivem Radfahrverhalten geprägt ist, gehen wir dennoch davon aus, dass die Mehrheit der Radfahrer regelgerecht und mit angemessener Geschwindigkeit fährt.
Insofern bedient der Antrag nur die Interessen einer Hochgeschwindigkeitsminderheit von Radfahrern. Eine Trennung des Radverkehrs nach Geschwindigkeiten ist jedoch der falsche Weg. Vielmehr steht diese Minderheit von Radfahrern in der Pflicht, eine angemessene Fahrweise zu praktizieren und Rücksicht auf Fußgänger und auf langsamere Radfahrer zu nehmen. Was Kraftfahrern selbstverständlich als Pflicht auferlegt wird, nämlich die Rücksichtnahme auf schwächere Verkehrsteilnehmer, muss genauso für Radfahrer gelten.
Der Antragsteller fordert weiterhin eine Aufklärung aller Verkehrsteilnehmer über die Rechtslage bzgl. Fahrbahn- und Radwegbenutzung. Dies ist sicher notwendig, greift aber zu kurz. Die Problemlagen im Radverkehr, zu denen Informations- und Aufklärungsbedarf besteht, sind weitaus vielfältiger: Radfahren in Fußgängerzonen, Radfahren auf reinen Fußwege, Radfahren in innerstädtischen Einkaufspassagen, Fahren ohne Licht usw., bis hin zu so hochgradig gefährlichen Verhaltensweisen wie freihändiges Fahren bei gleichzeitiger Handybenutzung.
Im übrigen sind Entscheidungen über Radwegebenutzungspflichten reines Verwaltungshandeln, eine Einbeziehung des Stadtrates in solche Vorgänge ist nicht erforderlich. |